Liebes Internet,

liebes Gebilde aus unzähligen Nullern und Einsen, liebe Wesen, die dieses in vielen kleinen und großen Teilen zusammengesetzt, umgesetzt durch ihre informationsverarbeitendenden Endgeräte in die Welt hinaus gebracht haben;

Du hast mir das Leben schon so oft gerettet, viele Male. Du bist unfassbar wertvoll. Danke für Deine Fülle an frei verfügbaren Informationen, deine dynamischen Strukturen. Für Deinen Beitrag zur Inklusion und Progression der Art, wie wir weltweit Informationen erhalten, verarbeiten, verbreiten und weiterentwickeln. Du kennst keine Grenzen, keine Klassen, keine Vorbehalte, denn Dein Wesen ist zuerst einmal unmittelbar.

Danke, dass Du Menschen wie mir wertvolle Freiheit schenkst, jeden Tag. Denn Du bringst nicht nur Zugang zu Wissen, das mir sonst vielleicht für immer verwehrt bliebe oder auch durch Überwinden viel größerer Barrieren erarbeitet werden müsste - denn Dein Kommunikationsweg läuft auf der Informationsebene ab, wie auch der Begriff IT, Informationstechnik, es ja schon beinhaltet.

Denn Du birgst einen Vorteil, den nicht alle gleich sehen oder als solchen wahrnehmen: Du filterst und reduzierst Dinge auf das Wesentliche. Ich kann frei entscheiden, was ich lese, was ich höre, was ich mir ansehe, wann, wie lange. Mit wem ich rede und worüber. So viele Dinge, Gedanken, Momente, Erkenntnisse, wären ohne Dich vielleicht so nie geschehen. Und all die Menschen, die ich ohne Dich niemals kennen (und manche auch lieben) gelernt hätte. Spannendes, Lustiges, Schlimmes, Trauriges, Nachdenkliches, Seltsames. Deine Vielfalt ist groß.

Wenn es Tage gab, an denen ich das Licht nicht sehen konnte, gab es Teile von Dir, die waren mein Leuchtturm. Und das sind sie noch heute. Aber die See ist rauer und stürmischer geworden. Und die Tage werden häufiger, in denen ich Angst verspüre, in Dir zu ertrinken.

Denn Du hast Dich verändert. Durch die sozialen Netzwerke bist Du schneller, voller, lauter geworden. Das ist Fluch und Segen zugleich. Noch immer lassen sich dort Reize im Vergleich zur analogen, körperlichen Welt ziemlich gut filtern, abmildern, aber es wird anstrengender. Wenn ich mich informieren will oder mich äußern, dann muss ich fast immer selektieren, quer lesen, oder sehr viel Zeit und Energie aufwenden, um einen Überblick zu behalten, denn alles ist kommentierbar und somit angreifbar.

Und mit dem Schwinden der Distanz ist auch der Hass, sind Gewalt, Niedertracht und Intrigen am Horizont sichtbar geworden. Der Wind dreht sich und ich muss mich oft gut festhalten, um nicht von Dir mitgerissen zu werden. Dieser Sog macht mich hilflos, ohnmächtig, manchmal wütend, ängstlich, immer jedoch schwächt und zehrt er mich aus.

Aber vor allem macht er wehmütig. Auch wenn ich Dir so dankbar bin, was Du mir gezeigt und mir beigebracht hast, was ich gelernt habe, vermisse ich die Zeit, als ich das Gefühl hatte, den nötigen Abstand, inne halten zu können. Unwissenheit lähmt. Aber sie ist auch bis zu einem gewissen Grad wie eine schützende Decke.

Ich möchte Dich nicht missen und ich will die Vergangenheit, bevor ich Dich kannte, niemals mehr zurück. Aber manchmal, hin und wieder würde ich Dich gern bitten können: Lass mich Luft holen. Auch wenn alles sich immer schneller zu drehen scheint. 

Denk bitte daran, dass wir alle unterschiedlich sind, eine Geschichte, eine Stimme und vielleicht ganz unterschiedliche Empfindungen und Beweggründe haben mögen. Manche werden vielleicht seekrank oder stolpern über die Lücken, die aufgerissen wurden. Bitte lass sie nicht einfach fallen, ich weiß, dass Du das kannst. Wenn Du den Glauben daran nicht verlierst - und mir auch lässt <83

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